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Billiggas in Ungarn – ein Märchen aus Moskau?

  • Autorenbild: FactJack Redaktion
    FactJack Redaktion
  • 12. Nov.
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 12. Nov.

Ungarns Gaspreise sind billiger als im Rest Europas. So wird es zumindest in einem Posting auf X propagiert. Wie viel ist aber an der Behauptung dran und welche Rolle spielt Russland dabei? Ein Faktencheck.


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Behauptung 1: Ungarn bezieht Gas direkt aus Russland.

Ja, Ungarn bezieht weiterhin nennenswerte Mengen Gas aus Russland. 

Einerseits direkt über die Ukraine, andererseits aber auch indirekt über andere Länder wie Serbien oder die Türkei. Seit Oktober 2021 gibt es einen langfristigen Vertrag zwischen dem Erdgasförderunternehmen Gazprom und Ungarn. Damit wird dem ungarischen Staat eine Gaslieferung von 4,5 Milliarden Kubikmeter pro Jahr zugesichert. In der Vereinbarung ist gleichzeitig die Möglichkeit festgelegt, die Mengen bei Bedarf zu steigern. Der Vertrag ist mindestens 15 Jahre gültig.

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Screenshot des in Umlauf befindlichen Bildes.

(C) unbekannt

INFO: Die Rolle von Gas in Ungarn

EU weit ist Ungarn ist eines der Länder mit dem höchsten Anteil an Gas im nationalen Energiemix. Laut Euractiv stammen etwa zwei Drittel seiner Gasimporte aus Russland. Das macht es besonders anfällig für die Auswirkungen der Gaskrise. Während die EU-Länder den Gasbezug aus Russland von 50 % auf 15 % reduziert haben, hat Ungarn neue Verträge abgeschlossen und die Importe gesteigert.

Behauptung 2: Die ungarischen Bürger:innen zahlen 71 % weniger für Gas als der Rest Europas.

Ja, aber der Vergleich ist irreführend.


Laut Eurostat haben ungarische Haushalte in der ersten Jahreshälfte 0,0307€/kWh bezahlt. Ein durchschnittlicher EU-Haushalt hat hingegen 0,1143€/kWh gezahlt, also deutlich mehr. Die angegebenen Preise beinhalten steuerliche Abgaben. 


Verglichen in Prozent sind das rund 73 % weniger. Die zitierten 71 % sind demnach plausibel. Aber die Aussage ist irreführend, weil sie suggeriert, dass das billigere Gas ausschließlich eine Folge niedriger Einkaufspreise ist. Tatsächlich kauft Ungarn Gas sogar teurer ein als viele andere EU-Länder. Nur wird der Preis den Bürger:innen nicht so weitergegeben. Demnach ist der Gaspreis für die Haushalte nur wegen großzügiger staatlicher Subventionen und Preisdeckel so gering.


Die Schattenseite

Den Preisunterschied trägt der Staat. Wenn der Weltmarktpreis für Gas aber wieder steigen sollte, dann muss Ungarn noch tiefer in die Tasche greifen, um den Bürger:innen billiges Gas bereitzustellen. Das führt jedoch zu einer stärkeren Staatsverschuldung. Geld für Investitionen oder andere öffentliche Aufgaben fehlt. Gleichzeitig steht die Industrie unter Druck. Während private Haushalte weniger zahlen, müssen viele gewerbliche Kunden den vollen Gaspreis in Kauf nehmen. 

Langfristig macht das energieintensive Unternehmen weniger wettbewerbsfähig.

Außerdem besteht die Gefahr, dass durch die künstlich billige Haushaltsenergie, Gas verschwendet wird. Laut Eurostat verbrauchen ungarische Haushalte trotz niedriger Einkommen überdurchschnittlich viel Gas pro Quadratmeter Wohnfläche. Zusätzlich sinkt der Anreiz für Gebäudedämmung oder Wärmepumpen. 

INFO: Warum Ungarn teureres Gas einkauft, als die restliche EU

Laut einer Analyse der G7 hat Ungarn für russisches Gas mehr als die meisten europäischen Länder bezahlt. Im Jahr 2022 lag der Einkaufspreis für Ungarn sogar 43 % höher als im EU-Durchschnitt. Dies lag teilweise an zusätzlichen Verträgen mit Gazprom, welche die Regierung in einer Zeit rekordhoher Preise unterzeichnet hatte. Seither ist der Preis auch für Ungarn wieder gefallen. Trotzdem musste Ungarn 2023 für Gas im Schnitt immer noch 2 % mehr zahlen als die restliche EU.

Politisch gesehen macht sich Ungarn in der EU damit keine Freunde.

Die EU-Kommission sieht in Ungarns Gaspreisdeckelungen einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht. Zudem widerspricht seine Gaspolitik dem EU-Ziel, durch höhere Preise den Gasverbrauch zu senken und die Dekarbonisierung zu fördern. Der ungarische Regierungschef Orbán argumentiert dagegen, dass er „die Bürger schützen“ müsse. Faktisch bindet er das Land aber langfristig an russische Energie.


Der tiefe Endkundenpreis bedeutet also nicht automatisch, dass Ungarn billigere Großhandelspreise bezahlt. Bislang hält man aber an den Subventionen fest, weil die Energiepreise politisch hoch relevant sind. Für Orban sind sie ein zentrales Wahlkampfinstrument, um sich das Wohlwollen der Bürger:innen zu bewahren.


Die geprüften Aussagen auf einen Blick

  • Ungarn bezieht Gas direkt aus Russland: wahr

  • Die ungarischen Bürger:innen zahlen 71 % weniger für Gas als der Rest Europas. teilweise wahr



QUELLEN & KI

Quellen:


Bei diesem Faktencheck wurde Ki zur Quellenrecherche,Plausibilitätspüfung, Zusammenfassung genutzt



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